Produktentwickler-Workshops: Schülerinnen und Schüler werden zu Erfindern für Menschen mit Handicap

Neues außerschulisches Angebot der IJF im Raum Heilbronn-Franken

Produktentwickler-Workshops

  • IJF bietet jungen Menschen die Möglichkeit, Produkte zu erfinden und zu bauen, die Menschen mit Handicap helfen
  • Erster Workshop zweier Klassen des Robert-Mayer-Gymnasiums an der Hochschule Heilbronn
  • Gründerzentrum der Hochschule begrüßt Zusammenarbeit

Im Schulunterricht bleibt häufig keine Zeit, Sachverhalte naturwissenschaftlich-technischer Fächer (MINT-Fächer) praktisch zu erforschen. Deshalb bietet die Initiative Junge Forscherinnen und Forscher e.V. (IJF) ab sofort ganztägige Workshops an. Der „Produktentwickler-Workshop“ zum Thema Medizintechnik ist ein neues lehrplanergänzendes MINT-Bildungsangebot für Schüler weiterführender Schulen im Stadt- und Landkreis Heilbronn. Dr. Mirjam Falge, wissenschaftliche Referentin der IJF entwickelte das Konzept. Das Angebot erweitert die beiden Projekttage „Zukunftsforscher – Technik für Gesundheit“ um einen dritten Tag und bietet jungen Menschen ab der achten Jahrgangsstufe die Gelegenheit, selbst Produktentwickler zu werden. Durch die Förderung der Arnfried und Hannelore Meyer-Stiftung sind die Workshops für Schulen im Stadt- und Landkreis Heilbronn kostenfrei und in Kombination mit dem Schulbesuchstagen von nun an buchbar.

Nutzerperspektive erfassen

Als erste Schule nahm das Robert-Mayer-Gymnasium Heilbronn (RMG) dieses Angebot wahr. Anfang Juli fand der erste Workshop mit zwei achten Klassen an der Hochschule Heilbronn statt. „Wir fordern Schülerinnen und Schüler in einer Challenge heraus, Produkte zu erfinden und zu bauen, die einhändigen Menschen in bestimmten Alltagssituationen helfen“, so Falge. „Dazu dürfen sie vorher in die Rolle eines Betroffenen schlüpfen, um Bedürfnisse, Hürden bzw. Probleme im Alltag zu erkennen: Sie binden sich einen Arm an den Körper und probieren zum Beispiel aus, wie man mit einer Hand ein Brot schmiert.“ Durch diese Erfahrungen können laut Falge Schüler die Nutzerperspektive besser erfassen und leichter Empathie aufbauen. „Man fühlt sich sehr hilflos und unbeholfen“, findet Eirini. Die 14-Jährige hat vergeblich versucht, sich mit einer Hand den Reißverschluss einer Weste zu schließen. Solche Erfahrungen und Ergebnisse sammeln und sortieren die Schüler anschließend. Das dient dazu, eine konkrete Fragestellung zu überlegen, um ein Produkt zu entwickeln.

Leben mit einer Hand – Einblicke eines Betroffenen

Zuvor berichtete Andreas Gartung als Betroffener von seinem Schicksal und sein Leben mit nur einer nutzbaren Hand. Er erlitt im Alter von 26 Jahren einen Schlaganfall. Seitdem meistert er Alltagssituationen nur mit seiner rechten Hand. Der 37-jährige begleitete die Schülerinnen und Schüler während des kompletten Workshops, gab Tipps und Hilfestellungen und testete am Schluss die fertigen Produkte. „In meinem Internetblog [1] stelle ich Hilfsmittel vor und verrate Tipps, wie Betroffene möglichst eigenständig ihren Alltag bewältigen können.“

Kreativ und handwerklich arbeiten

Solche Hilfsmittel zu erfinden, war in der anschließenden Phase Aufgabe der rund 30 Schülerinnen und Schüler. Unter dem Motto „Ihr alle seid Produktentwickler!“ lernten sie zunächst die Methode des Design Thinking kennen. Anschließend schlüpften sie die Rollen von Designern, Technikern/Werkstattexperten und Koordinatoren/Zeithütern. Im Schüler Technik-Labor der Hochschule tüftelten sie an ihren Prototypen. Es entstanden Glas- und Flaschenöffner, Brotschneidehilfen und sogar eine Fangvorrichtung für Bälle. Alle Erfindungen funktionierten bei der abschließenden Präsentation prima. „Ähnliche Produkte gibt es wirklich zu kaufen“, zeigte sich Gartung begeistert, „das Brotzeitbrettchen zum Beispiel ist durch Eure Idee, eine Antirutschfolie am Boden zu verwenden, sogar noch besser als die kaufbare Variante!“

 Praxistaugliche Ergebnisse

„Ich bin immer wieder überrascht, wie Schülerinnen und Schüler mit einfachen Materialien überaus kreativ Produkte erschaffen, die es bislang so nicht gab, die sinnvoll sind und außerdem verwendbar“, zeigte sich Falge von den einfallsreichen Produkten begeistert. Gemeinsam mit ihren Kollegen Dr. Brenda Pfenning, Thomas Brendle-Behnisch und Andreas Gartung, als Betroffener und Experte, bildeten sie die Jury und bewerteten die Erfindungen final. Die Ausweitung der Workshops in Zusammenarbeit mit dem Gründerzentrum “Startklar”, vertreten durch Franziska Pöttgen, ist bereits in Planung. Zusammen mit ihrer Kollegin Susan Barth sensibilisiert Pöttgen Studierende für das Thema Gründung und vermittelt diese an Experten an der Hochschule sowie der Wirtschaft weiter. Die Zusammenarbeit mit der IJF im naturwissenschaftlichen Unterricht an Schulen wird von Vittorio Lazaridis, Ministerialdirigent des Kultusministeriums Baden-Württemberg, begrüßt und empfohlen.

[1] leben-mit-einer-hand.de